NS-Verfolgte und ihr Kampf um Anerkennung

HISTOX Recht und Justiz

Thomas Irmer  ist ein langjähriger Kollege von mir aus Berlin. Wer auf seiner Website stöbert, wird sehen, dass er sich in zahlreichen Projekten mit der Verfolgungsgeschichte von Menschen beschäftigt hat, die auch als „Vergessene Opfergruppen“ des Nationalsozialismus bezeichnet werden.  Die Ausstellung Alltag Zwangsarbeit 1938-1945 des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin-Niederschöneweide hat er gemeinsam mit anderen kuratiert. Für den Informations- und Gedenkort Rummelsburg hat er eine mobile App entwickelt. Das Gefängnis Rummelsburg war in der NS-Zeit als zentraler Sammelort für sogenannte „Asoziale“ vorgesehen. Etwa 50000 von ihnen wurden bis 1945 in den Konzentrationslagern ermordet.

Verweigert und Verspätet – NS-Verfolgte und ihr Kampf um Anerkennung und Entschädigungen lautet der Titel der 19. Tagung des Forum Justizgeschichte e.V.  Für den 22. bis 24. September 2017 lade ich herzlich in die Deutsche Richterakademie in Wustrau ein. Als Vorsitzender war ich im letzten Jahr zusammen mit meinen Kolleg*innen aus dem Verein mit der Planung der Tagung beschäftigt.

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland markiert das Luxemburger Schuldenabkommen vom 10. September 1952 über die Zahlung von „Wiedergutmachung“ für die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden an Israel und die Jewish Claims Conference einen wichtigen Schritt hin zu internationaler Reputation. Zugleich fügt sich dieses Abkommen ein in eine Politik der Ausgrenzung anderer, die in der NS-Zeit unermesslich unter Verfolgung, Ausbeutung und Erniedrigung zu leiden hatten. Im Kontrast dazu fiel es in den ersten Nachkriegsjahrzehnten nicht schwer, über den Lastenausgleich, die massenhafte Wiederverbeamtung von Funktionsträgern und andere Maßnahmen den Angehörigen der ehemaligen Volksgemeinschaft, den großen und kleinen Profiteur*innen des Raubkriegs, den Weg zu Demokratie und westlichen Werten zu ebnen.

„Nicht-NS-spezifische-Verfolgung“ – „Staatliche Ordnungsmaßnahme“

Die Geschichte der (verweigerten) Anerkennung verschiedener Verfolgtengruppen ist seit mehr als sieben Jahrzehnten auch ein juristischer Kampf um Begriffe und Definitionen. Dabei spielt der Tod der Betroffenen durch Alter, Krankheit und Spätschäden den politisch Verantwortlichen in die Hände. Die meisten würden die offenen rechtlichen, politischen und moralischen Fragen gerne noch immer aussitzen. Zwangsarbeiter*innen, Zwangssterilisierte, Überlebende der Ghettos, Sinti und Roma, Deserteure, Kriegdienstverweigerer, Kriegsgefangene, Menschen, deren Angehörige bei Massakern oder im Rahmen der „Euthanasie“ ermordet wurden, Homosexuelle, als „asozial“ Verfolgte und zahlreiche andere Gruppen haben bis heute wenig oder nichts als Ausgleich für ihre Verfolgung erhalten. Viele von ihnen leben außerhalb Deutschlands,

Nicht-NS-spezifische-Verfolgung – Staatliche Ordnungsmaßnahme – Gewöhnliche Kriegsfolge – Allgemeine Kriegsschäden: So lauten einige Begriffe, über die politisch und juristisch gestritten wird. Gerichte trugen und tragen ihren Teil zur fortgesetzten Diskriminierung bei. Auf unserer Tagung wollen wir die juristischen Kämpfe um Anerkennung und die Strategien der Verdrängung seit 1945 in einem europäischen Kontext analysieren. Zugleich wollen wir diskutieren, welche Wege jenseits der klassischen Instrumente des Entschädigungsrechts beschritten werden können. Die hochbetagten Verfolgten und ihre Angehörigen haben Anspruch auf eine – wenn auch viel zu späte – Anerkennung: nicht nur symbolisch und politisch, sondern auch materiell und rechtlich.

Die Teilnahme kostet 180 EUR, für Vereinsmitglieder 160 EUR und für Studierende/Referendar*innen/Menschen ohne Einkommen 80 EUR. Es besteht ferner die Möglichkeit ein Stipendium zu beantragen.

Die Möglichkeit zur Anmeldung und das Programm finden Sie beim Forum Justizgeschichte.

Ich freue mich darauf, Sie in Wustrau zu sehen.