Schuld aus historischer Perspektive

HISTOX Zeit und Geschichte

Am 19. und 20. Mai 2017 war ich auf der 3. Konferenz der Dresdner Initiative Trennungskinder (D.I.T.) eingeladen. Die D.I.T. ist ein loser Zusammenschluss aller Professionen, die an familienrechtlichen Verfahren betreffend Sorgerecht und Umgang beteiligt sind: Familienrichter*innen, Familienanwält*innen, Mitarbeiter*innen von Jugendämtern und Beratungsstellen, Verfahrensbeistände und psychologische Sachverständige. Sie sind alle daran interessiert, Trennungskindern beide Eltern zu erhalten. Der Schwerpunkt der Tagung war „Schuld“: Was ist mit der Schuld? Eignet sich Schuld statt zum Schüren auch zum Lösen von Trennungskonflikten? Es waren für mich hochinteressante und wahrhaft interdisziplinäre zwei Tage.

Ausgehend von zwei gängigen geschichtswissenschaftlichen Begriffen, der „Kriegsschuldfrage“und der „Kollektivschuld“, habe ich in einem kurzen Referat drei Thesen zum Umgang mit Schuld in der Geschichte formuliert:

  • Einseitige Schuldzuweisungen verhindern das Verständnis für die Ursachen eines Konflikts.
  • Kollektivschuld gibt es nicht, aber niemand hat seine Geschichte für sich allein.
  • Die Bearbeitung historischer Schuld ist ein offener Lernprozess ohne Schlußstrich.
Bei der Kriegsschuld 1918/19 ging es um das Deutsche Reich

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist der Versailler Vertrag von 1919, der in seinem Artikel 231 und seinen Zusatzprotokollen eine alleinige Kriegsschuld des Deutschen Reichs für den Ausbruch des Krieges bestimmt. Durch diese Form der diplomatischen Nachbearbeitung des Krieges wird das Deutsche Reich für die im Krieg entstandenen Schäden verantwortlich gemacht. Schuldig war das Deutsche Reich als völkerrechtliche Einheit, als Staat. Aus dieser Verantwortlichkeit ergaben sich Folgen in Form von Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen. Darüber hinaus wurde das Deutsche Reich auch moralisch für den Ausbruch des Krieges verantwortlich gemacht: Deutschland allein habe den Krieg „angezettelt“, so die Formulierung in einer diplomatischen „Mantelnote“ zum Versailler Vertrag vom Juni 1919. Dies löste in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung, nicht nur bei der extremen Rechten, große Verbitterung aus.

Im Krieg war die deutsche Bevölkerung von den politischen und militärischen Verantwortlichen über den Verlauf des Krieges bewusst im Unklaren gelassen worden. Die Niederlage und Abdankung des Kaisers auf Druck der Ententemäche 1918 war ein großer Schock. Die deutsche Bevölkerung war nicht der Adressat des Schuldvorwurfs von Versailles. Trotzdem waren auch die Bürgerinnen und Bürger des Deutschen Reichs durch die Vereinbarungen des Versailler Vertrages mindestens mittelbar betroffen. Sie mussten mit ihren Steuern für die Reparationszahlungen aufkommen, oder wurden beispielsweise aus Westpreußen vertrieben.

Friedensverträge haben sehr unterschiedliche Funktionen. Heute wird der Versailler Vertrag nicht unbedingt als großer Wurf angesehen. Er war eine Mischung aus Sühnevereinbarung und klarer Abgrenzung von politischer Ent- und Belastung, außerdem enthält er Ansätze zur Schaffung einer stabilen Nachkriegsordnung, für deren Verwirklichung dann sehr bald kein politischer Wille mehr da war.

Meinen vollständigen Text finden Sie auf der Website der Dresdner Initiative Trennungskinder.