Sexualitäten und Justiz

HISTOX Recht und Justiz, Zeit und Geschichte

Der Kampf um eine selbstbestimmte Sexualität frei von (staatlicher) Diskriminierung hat in den letzten Jahrzehnten einige wesentliche Fortschritte erzielt. Die dritte Gewalt spielt in dieser Entwicklung eine ambivalente Rolle. Sie bezieht die vorherrschenden Annahmen auf den individuellen Fall und ist gleichzeitig dem Schutz der Rechtssphäre der einzelnen Personen verpflichtet. Dabei kam und kommt ihr anhand von Begriffspaaren wie gesund – krank, normal – pervers, gesellschaftlich nützlich – gesellschaftlich unerwünscht, erlaubt – kriminell in entscheidender Weise und abhängig vom gesellschaftlichen Diskussionsstand die Definitionsmacht zu. Auf der 18. Jahrestagung des Forums Justizgeschichte werden wir die Rolle der Justiz bei der Definition von Sexualität und im Spannungsfeld dieser Terminologien beleuchten. Hierzu sollen Aspekte der Repressionsgeschichte gegenüber als abweichend angesehenen Formen von Sexualität einerseits, insbesondere des § 175 StGB (Homosexualität), und andere Formen der sexuellen Normierung anderseits in den Blick genommen werden. Fallstudien aus dem Kaiserreich, dem Österreich der Zwischenkriegszeit, der DDR und insbesondere aus der Justizgeschichte der Bundesrepublik Deutschland reflektieren Kontinuitäten und Veränderungen im Umgang der Rechtsprechung mit Sexualitäten. Die Achtung der Menschenwürde ist allerdings nicht dann schon verwirklicht, wenn die staatliche Repression endet. Auch die Teilhaberechte, die Durchsetzbarkeit ziviler Rechtspositionen müssen garantiert sein. Welche weiteren juristischen Schritte im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung nötig sind, um verschiedenen Formen von Sexualität ihre Gleichberechtigung zu verschaffen, werden wir ebenfalls diskutieren.

Vorträge
  • Heteronorm als Rechtsnorm: Sexualitäten und Justiz, Dr. Ulrike Lembke (Universität Greifswald)
  • § 175 StGB – Eine Verfolgungsgeschichte, Andreas Pretzel (HU Berlin)
  • Film: Coming Out, DDR 1989, 113 Minuten, Regie: Heiner Carow, Dr. Volkmar Schöneburg (MdL)
  • Homosexualität und Justiz im Kaiserreich: Der Eulenburg-Skandal, Dr. Norman Domeier (Univ. Stuttgart)
  • „Unzüchtige Umarmungen“ – Weibliche gleichgeschlechtliche ‚Unzucht‘ in der Zwischenkriegszeit in Österreich, Ass.Prof. Dr. Elisabeth Greif (Universität Linz)
  • BVerfGE 6, 389 – Die ‚Homosexuellen-Entscheidung‘ des Bundesverfassungsgerichts aus rechtshistorischer Perspektive, Nadine Drönner, LL.M. (Berkeley)
  • Sexualitäten und Justiz in der DDR, Prof. Dr. Greg Taylor LL.M. (RMIT Melbourne)
  • „Natürlich“ verfassungswidrig – Trans- und Intersexuelle in der Bundesrepublik, RAin Dr. Laura Adamietz (Bremen)
  • Der Umgang mit den NS-Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik, Dr. Stefanie Westermann (RWTH Aachen)
  • Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und die Justiz, Prof. Dr. Julia Zinsmeister (TH Köln)
  • Die Familie als Keimzelle des Staates – Das Inzestverbot vor Gericht, Prof. Dr. Nora Markard (Universität Hamburg)
Tagungsort – Kosten – Anmeldung

Tagungsort
Deutsche Richterakademie
Am Schloß 1
16818 Wustrau-Altfriesack
Tel.: 033925 897-0, Fax: -202
wustrau@deutsche-richterakademie.de

Kosten
(zwei Übernachtungen, Vollpension)
€ 180,00 Nichtmitglieder
€ 160,00 Mitglieder
€ 80,00 Studierende, Referendar/innen Teilnehmende ohne Einkommen

Anmeldung
Forum Justizgeschichte e.V.
c/o Jennifer Aßmann
Pütjenweg 34, 25462 Rellingen
tagung@forum-justizgeschichte.de
www.forum-justizgeschichte.de

Stipendium

Es besteht dank der Unterstützung durch ein Vereinsmitglied die Möglichkeit, ein Stipendium zu erhalten. Die Bewerbung darauf muss bis spätestens zum 15. August 2016 beim Forum Justizgeschichte eingehen. Der Wunsch nach einem Stipendium ist kurz zu begründen. Die Vergabe erfolgt entsprechend der zur Verfügung stehenden Mittel. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Das Stipendium umfasst die Teilnahmegebühren für zwei Übernachtungen und Verpflegung in Wustrau sowie bis zu 50% der Fahrtkosten bei einer Anreise mit der Bahncard 50. Stipendiat_innen aus Berlin erhalten keinen Fahrtkostenzuschuss. Das Forum begrüßt es, wenn eine Teilnahme in Wustrau die Stipendiat_innen ermuntert, sich längerfristig an der Arbeit des Forums zu beteiligen, die Mitarbeit im Forum Justizgeschichte ist jedoch keine Voraussetzung dafür, das Stipendium zu erhalten. Das Stipendium wird einmalig gewährt.